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Gregor Heilmaier, Cost-Cutting, Deutsche Bahn,

Cost-Cutting-Welle voraus: Die wilde Fahrt ist vorbei

Kürzlich saß ich im Zug nach Hamburg und staunte: Am Ende einer nicht ganz störungsfreien Fahrt flackerte über die Bildschirme im Waggon der Schriftzug: „Die wilde Fahrt – ist vorbei.“ So viel Humor hatte ich bis jetzt der Deutschen Bahn gar nicht zugetraut. Aber vielleicht kann die deutsche Wirtschaft sich gerade jetzt eine Scheibe davon abschneiden …

 

Wilde Fahrt, Gregor Heilmaier

Cost-Cutting an der Wupper

Die Wolken am Konjunkturhimmel sind nämlich viel dunkler, als der Öffentlichkeit aktuell vorgegaukelt wird. Die Automotive-Industrie trifft es jetzt schon hart. Nach meinem letzten Vortrag kam ich ins Gespräch mit dem Geschäftsführer eines Zulieferbetriebes, der mir sagte: „Wir stehen nur noch bei 60 Prozent Auslastung. Und viele kleine Formenbauer um uns herum gehen jetzt schon über die Wupper, weil sie seit einem Jahr oder länger keine neuen Aufträge bekommen haben. Jetzt ist Cost-Cutting angesagt!“

Das Cost-Cutting-Phänomen ist nicht auf Deutschland beschränkt. Ein chinesischer Zulieferer, mit dem wir in Kontakt stehen, hat mir zum Beispiel erzählt, dass dort ein Automobilwerk, das für den heimischen Markt produziert, gerade erst von heute auf morgen 3000 Mitarbeiter freigestellt hat. Die haben so viele Autos auf Halde stehen, dass sie die Produktion radikal gedrosselt haben. Immerhin sind sie überaus kreativ und haben das chinesische Uber-Pedant mit 3000 dieser Halden-Autos ausgestattet – natürlich aber versehen mit der Auflage, den entlassenen Mitarbeitern für drei Jahre eine Verdienstmöglichkeit als Fahrer anzubieten.

Doch die Talfahrt wird sich nicht auf die Automobilindustrie beschränken – mit erheblichen Folgen und Cost-Cutting in vielen Branchen.

Gestrichen

Denn was macht eine Controlling-Abteilung, die diese dunklen Cost-Cutting-Wolken bedrohlich näher kommen sieht? Sicher nicht weiter freigiebig alle Projekte unterstützen, welchen Sinn oder Unsinn sie auch immer versprechen. Ich höre jetzt schon von vielen Vorhaben, die dem Cost-Cutting zum Opfer fallen – zumindest wenn es um Vorhaben geht, die nicht unmittelbar mit Digitalisierung zu tun haben.

Ich muss sagen, ich finde die Entwicklung bis zu einem gewissen Grad durchaus heilsam. Denn meiner Beobachtung nach ist in den Zeiten der wilden Fahrt, als viel Geld vorhanden war und die Aussichten ungetrübt, oft nicht mehr ausreichend darauf geachtet worden, welchen Nutzen die Investition bringen sollte.

Die Veranstalter mancher – na, sagen wir mal – abstrakter Konferenzen haben meines Erachtens Glück gehabt, dass ihr Event schon im Sommer stattgefunden hat. Heute würden etliche Ausgaben dafür dank Cost-Cutting wohl nicht mehr genehmigt werden.

Ich befürworte durchaus, dass die Unternehmen wieder stärker auf den Nutzen achten, den ihnen die Kosten für zum Beispiel Trainings und Fortbildungen in so vielen Themen bringen. Doch genauso wie das Pendel in den letzten Jahren extrem zu der einen Seite ausgeschlagen hat, könnte es jetzt zur anderen Seite schwingen …

Bleiben Sie gelassen

Solche Pendelbewegungen habe ich in den letzten Jahren schon häufiger erlebt: Auf einmal zählt nur noch der messbare Nutzen, also alle quantitativen Verbesserungen. Die qualitativen Verbesserungen, die dagegen nur indirekt zu messen sind, fallen radikal dem Cost-Cutting-Rotstift zum Opfer. Das haben die Unternehmen in aller Regel danach bereut. 

Deshalb rufe ich zu einem gesunden Mittelweg auf: Solange die Not noch nicht so groß ist, dass es um die Liquidität und die Existenz geht, wäre es unternehmerischer Unsinn, jegliche Investition in Unternehmenskultur und Digitalisierung unter dem Mantel des Cost-Cutting zu stoppen. Das hieße, die Investitionen der letzten Jahre wertlos zu machen, weil Sie den Schalter umlegen, wo Sie gerade bei 60 oder 70 Prozent stehen. 

Halten Sie es in Zeiten so einer aufgeregten Gegenreaktion lieber mit der Deutschen Bahn: Zeigen Sie ein gelassenes Lächeln, auch wenn die wilde Fahrt vorerst vorüber ist.

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