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Gregor Heilmaier, Emotionaler Ausgleich, Unternehmen, Gericht, Digitalisierung

Emotionaler Ausgleich: Wo Unternehmen unnötig Energie lassen

Ich bin seit Juni 2018 als ehrenamtlicher Richter in einer der Handelskammern des Landgerichts Nürnberg-Fürth bestellt. Durch diese Tätigkeit ist mir ein wichtiges Licht aufgegangen, wo Unternehmen viel wertvolle Energie verpulvern. Und diese Erkenntnis betrifft nicht nur das Verhalten vor Gericht.

Emotionaler Ausgleich dringend gesucht

Vorletzte Woche zum Beispiel saß ich in einer Verhandlung, in der es um eine Ausgleichszahlung ging. Ein Unternehmen hatte seit über 20 Jahren als Gebietsvertreter reibungslos mit einem Hersteller kooperiert. Doch seit bei letzterem der Geschäftsführer gewechselt hatte, ging das Verhältnis den Bach hinunter. 

Kein Jahr später lag bei dem Handelsunternehmen erst die außerordentliche, dann die ordentliche Kündigung auf dem Tisch. Und nun ging es um die Ausgleichszahlungen. An sich keine Sache, in der es nicht Aussicht auf eine friedliche Einigung auf Sachebene gegeben hätte. Aber das ist – unter uns gesagt – in solchen Verfahren fast immer der Fall.

Worum es den Parteien vor Gericht wirklich geht, können Sie an den Gesichtern und Blicken ablesen, die sich die Kontrahenten zuwerfen. Nicht selten fliegen dann auch Beschimpfungen hin und her. Und es wird klar: Hier wird um einen Ausgleich der emotionalen Komponente gerungen, nicht um den der sachlichen.

Doch dafür ist das Gericht der falsche Ort.

So viel wichtige Energie

Wir Richter legen einem Urteil „nur“ die Sachlage zugrunde: Wir prüfen Verträge, Fristen und vereinbarte Summen. Die emotionale Komponente fließt in die Urteilsfindung nicht mit ein. 

Was mir dabei zu denken gibt: Ich sehe, wie viel Energie die beiden beteiligten Unternehmen dabei in die Vergangenheit stecken. Immer und immer wieder wühlen sie nach weiteren „Beweisen“, dass sie recht haben und der andere unrecht hat. Sie verbeißen sich geradezu in das, was war. Was sie darüber aus dem Blick verlieren, ist: Was ist die Situation jetzt? Wie können wir den größten Nutzen daraus ziehen – ganz unabhängig davon, wie die Situation entstanden ist?

Und an diesem Punkt beobachte ich die Parallele zu den Vorgängen in Unternehmen: Denken Sie zum Beispiel an Digitalisierungsprojekte, die nicht schon nach kurzer Zeit Erfolge vorzuweisen haben oder in denen manches nicht so gelaufen ist, wie geplant. Da wird viel Energie darauf verwandt, zum Beispiel nach Gründen für das Nicht-Gelingen oder nach Schuldigen zu suchen. Und genau genommen geht es ganz häufig auch um den emotionalen Ausgleich für die gefühlte Niederlage.

Solches rückwärtsgewandtes Wühlen bringt Sie jedoch nicht weiter. Schauen Sie lieber nüchtern auf die Jetzt-Situation: Was haben Sie bereits an Nutzen erreicht? Welchen Nutzen wollen Sie in Zukunft erreichen und wie wollen Sie das angehen? Da ist Ihre Energie sinnvoll investiert.

Auf hoher See, vor Gericht und im Unternehmen

Es heißt, auf hoher See und vor Gericht seien Sie in Gottes Hand. Und in diesem Fall würde ich ergänzen: im Unternehmen auch, zumindest wenn Sie an diesen Orten nach einem emotionalen Ausgleich suchen. In diesen Situationen hilft Ihnen ein kühler Kopf jeweils mehr als hitzige Auseinandersetzungen. 

Ob Sie nun religiös sind oder nicht: Investieren Sie die Energie, die Sie in die Emotionen einer Rückschau stecken, lieber in die Zukunft Ihres Unternehmens. Denn auch die emotionale Komponente lösen Sie mit dem Blick nach vorne besser als mit dem nach hinten.

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